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Bayern barrierefrei
Carolina Trautner, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales
München, Oktober 2020. Ein Donnerstag im Herbst. Gesprächstermin im Bayerischen Sozialministerium. Vom gläsernen Haupteingang führt ein taktiles Leitsystem zur Pforte. Eine Mitarbeiterin weist den Weg nach oben. Die Stockwerke stehen in Brailleschrift am Treppengeländer und auf den Aufzugknöpfen. „Unser Haus geht bei der Barrierefreiheit mit gutem Beispiel voran“, sagt Sozialministerin Carolina Trautner. „Es ist mir ein Herzensanliegen, dass wir für alle Menschen gute Politik machen. Viele Lebensbereiche sind voller Hürden. Unsere Aufgabe ist es, daraus Brücken zu bauen.“

Über Carolina Trautner

Carolina Trautner ist seit Februar 2020 Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales. Zuvor war sie Sozialstaatssekretärin. Als Vorsitzende leitet sie den Kabinettsausschuss „Bayern barrierefrei“.
Meine Meinung
„Barrierefreiheit ist mein großes Herzensanliegen. Sie führt dazu, dass alle Menschen ihr Leben führen können, wie sie es sich wünschen.“
Bayerns Sozialministerin im Gespräch
- Frau Trautner, Sie haben bei Ihrem Amtsantritt erklärt, dass die Barrierefreiheit eines Ihrer wichtigsten Ziele ist. Woher kommt dieser hohe Stellenwert?
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Die Barrierefreiheit Bayerns liegt mir ganz besonders am Herzen. Sie sorgt dafür, dass jeder Mensch selbstverständlich ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Ich wünsche mir, dass alle Menschen in Bayern aktiv und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können – unabhängig von Behinderung, Alter, Geschlecht und Herkunft. Dafür müssen wir Barrierefreiheit ganz neu denken.
- „Barrierefreiheit ganz neu denken“: Was meinen Sie damit?
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Die meisten Menschen denken bei dem Begriff „Barrierefreiheit“ wahrscheinlich an Rampen für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer. Er umfasst aber noch viel mehr, was viele Menschen gar nicht wahrnehmen. Deshalb brauchen wir noch mehr öffentliche Aktionen und Initiativen. Bei uns in Augsburg haben sich zum Beispiel Menschen mit verschiedenen Behinderungen zusammengetan. Sie testen ehrenamtlich, ob Museen und Ausflugsziele für gehörlose oder blinde Menschen geeignet sind.
Barrierefreiheit hat also auch eine soziale Dimension: Nicht jeder kann sonntags einfach einen spontanen Ausflug machen. Viele Menschen müssen vorher erst mühsam barrierefreie Ziele suchen. Ich will, dass wir diese Hürden abbauen.
Genau dafür haben wir das Programm „Bayern barrierefrei“.
- Und was genau ist „Bayern barrierefrei“?
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„Bayern barrierefrei“ ist für die Staatsregierung Programm und Ziel gleichermaßen: Unser Land soll im gesamten öffentlichen Raum und Personennahverkehr barrierefrei werden.
Denn wir wollen eine Gesellschaft sein, in der Menschen mit Behinderung mittendrin sind statt nur dabei. Ein kleines Mädchen mit körperlicher Behinderung soll mit anderen Kindern am Spielplatz schaukeln können. Genauso soll eine Seniorin mit Rollator im Riesenrad mitfahren können. Und manchmal reichen schon simple Untertitel bei Filmen, damit ein gehörloser Vater das Kinoerlebnis mit seiner Familie teilen kann. Da gibt es kein Patentrezept für den einen Weg zur Barrierefreiheit. Wir brauchen vielfältige kreative Lösungen.
Davon profitieren alle! Barrierefreiheit erleichtert auch älteren Menschen oder Familien mit Kindern den Alltag. Ein breiter Gehweg ohne Stufen hilft Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern genauso wie Eltern mit Kinderwagen. Letztlich ist ein Leben ohne Barrieren ein großer Gewinn für die ganze Gesellschaft. Barrierefreiheit macht allen Menschen das Leben leichter.
- Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2023 im öffentlichen Raum barrierefrei zu sein. Wie kommen Sie voran?
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Das Ziel, Bayern bis zum Jahr 2023 barrierefrei zu machen, ist richtig und notwendig. Das treibt die Barrierefreiheit in unserem Land enorm voran. Die Jahreszahl „2023“ hat einen beeindruckenden Schub ausgelöst. Ob bei den öffentlich zugänglichen Gebäuden, bei Internetauftritten oder der Sensibilisierung der Menschen: Wir haben erhebliche Fortschritte erzielt. „Bayern barrierefrei“ zieht einen bemerkenswerten gesellschaftlichen Bewusstseinswandel nach sich. Bei Planungen und Entscheidungen wird Barrierefreiheit zunehmend selbstverständlich berücksichtigt.
Was wir bislang erreicht haben, kann sich sehen lassen. Wir sind auf einem guten Weg. Aber Barrierefreiheit kennt keinen Schlusspunkt. Uns allen ist bewusst, dass Barrierefreiheit eine Daueraufgabe ist. Dieser Weg ist dynamisch, anspruchsvoll und nie zu Ende.
- Und wie wollen Sie das Programm umsetzen?
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Wir müssen alle anpacken. Denn als Staat können wir unser Ziel nicht alleine umsetzen. Wir brauchen viele Menschen, die mitmachen. Nur gemeinsam machen wir Bayern barrierefrei.
Deshalb haben wir unter dem Motto „12 Ministerien, 1 Ziel: barrierefrei zum Miteinander!“ den Kabinettsausschuss „Bayern barrierefrei“ eingerichtet. Ich freue mich, dass alle Ministerien an einem Strang ziehen. Auf diesem Weg wollen wir überzeugte Partner mitnehmen: in den Kommunen, in der Wirtschaft, in den Vereinen.
Barrierefreiheit überall zu erreichen, ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Doch ich bin überzeugt: Sie kann gelingen, wenn wir zusammenwirken. Das vielfältige Engagement in ganz Bayern macht mich zuversichtlich, dass wir nicht nachlassen werden.
Wir brauchen viele Menschen, die mitmachen. Nur gemeinsam machen wir Bayern barrierefrei.
- Das Netz macht inzwischen einen großen Teil unseres Alltags aus. Wie wollen Sie Menschen mit Behinderung in der digitalen Welt unterstützen?
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Auch online bauen wir systematisch Barrieren ab – sichtbare und unsichtbare. Webseiten, elektronische Dokumente, Software, Smartphones: Für Menschen mit Behinderung muss das selbstverständlich sein. Nur dann haben wir eine selbstbestimmte Teilhabe am digitalen Leben. Und es hilft ja auch älteren Menschen, wenn es keine Online-Barrieren gibt.
Dank Untertiteln und Übersetzung in Gebärdensprache können zum Beispiel die meisten Menschen mit Hörbehinderung die gesprochenen Inhalte erfassen. Vergrößerungssoftware und Bildschirmlesegeräte vermeiden Barrieren für Menschen mit Sehbehinderung.
Barrierefreie Angebote helfen also nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern bieten allen Menschen Vorteile.
Dort, wo es in unserem Leben Hürden gibt, ist es unsere Aufgabe, daraus Brücken zu bauen.
Bayern ohne Barrieren: Das ist unser großes Ziel. Und gemeinsam setzen wir alles daran, dieses Ziel zu erreichen.
Auf ein (Stich-)Wort: Carolina Trautner ganz persönlich

„Guten Morgen, Servus, Grüß Gott und Hallo!“ heißt auf Schwedisch ...
„... ganz kurz und knackig: HEJ!“
(Carolina Trautners Mutter stammt aus Schweden. Für Bayerns Sozialministerin ist das Land eine zweite Heimat.)

Meine geheime Leidenschaft:
„Cappuccino!“

Meine „handlichste“ Ausdrucksform ...
„... ist die Gebärdensprache!“
(Carolina Trautner beschäftigt sich mit der Gebärdensprache. Diese Gebärde bedeutet: „gesund“. Als Teil des Wunsches: „Bleiben Sie gesund!“)

Mit Louis Armstrong teile ich ...
„... die Liebe zur Jazz-Musik!“
(„What a wonderful world“ ist der Lieblingssong von Hobby-Saxofonistin Carolina Trautner.)