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Ein Tag ... in der digitalen Welt

München, Oktober 2018. Digitale Technik ist überall. Natürlich im Computer und im Smartphone, aber auch in vielen Automaten und Geräten, die wir ständig nutzen. Wir begleiten drei Personen durch ihren Tag. Alle wohnen in der Stadt, sind berufstätig und auch in ihrer Freizeit gern aktiv. Wir haben die drei Personen erfunden. Es könnte aber gut sein, dass Sie sich in einer von ihnen wiedererkennen. Oder vielleicht erkennen Sie auch eine Kundin oder einen Kunden?

Illustrationen von drei Personen; ein Mann, grauhaarig, mit Brille und Bart, eine Frau mit dunkler Brille und Langstock, ein junger Mann im Rollstuhl.

Wen wir heute begleiten

Illustration: ein Mann, grauhaarig, mit Brille und Bart.

Peter

… ist Anfang 60. Er arbeitet in der Personalabteilung eines Möbelhauses. Im Internet ist er nicht daheim, aber er beißt sich tapfer durch. Schließlich bewirbt man sich heute meist online. Peter hat auch ein Smartphone; meist nutzt er es, um zu telefonieren und Kurznachrichten zu schreiben.

Illustration: eine Frau mit dunkler Brille.

Carina

… ist Mitte 40 und arbeitet im Vertrieb bei einer Textil-Firma. Sie ist stark sehbehindert, kann aber mit digitalen Hilfsmitteln genauso gut arbeiten wie ihre Kollegen und Kolleginnen. Auch privat nutzt sie z. B. Apps für blinde und sehbehinderte Menschen – und natürlich die Spracheingabe ihres Smartphones.

Illustration: eine junger Mann.

Benjamin

… ist Mitte 20 und arbeitet im Finanzwesen. Wegen einer spastischen Lähmung sitzt Benjamin im Rollstuhl. Auch seine Sprache und seine Feinmotorik sind beeinträchtigt. Deshalb arbeitet er etwas langsamer, aber sehr zuverlässig und genau. In seiner Freizeit ist er viel unterwegs, offline wie online – falls ihm nicht Barrieren den Zugang versperren.

7 Uhr: Der Wecker klingelt

Illustration: Jemand hält ein Smartphone mit einer Wecker-App in der Hand.

Guten Morgen! Wie lassen Sie sich wecken? Mit einem altmodischen Aufziehwecker, von Ihrem Handy oder von Ihrem Lieblingsmenschen?

Peter:

Meine Tochter hat mir eine Schlafphasen-App installiert. Interessante Idee, aber mit dem Smartphone stehe ich auf Kriegsfuß. Dieses Gefummel nervt.

Carina:

Mein Smartphone weckt mich sanft während einer Leichtschlafphase. Das Touch-Display nützt mir nichts, aber mit der Sprachsteuerungs-App komme ich gut klar!

Benjamin:

Das Touch-Display vom Smartphone kann ich nicht bedienen. Und wenn ich morgens Befehle ins Kopfkissen nuschele, versteht mich die Sprachsteuerung oft falsch; statt nach drei Minuten nochmal zu klingeln, hat sich der Wecker schon ausgeschaltet und ich habe gnadenlos verschlafen. Seither reißt mich mein alter Wecker mit der Riesentaste jeden Morgen aus dem Tiefschlaf.

Aha!

Von der Sprachsteuerung über Vorlesefunktionen bis zur Bedienung über Gesten: Viele Smartphones bieten Zubehör, das Menschen mit Behinderung nicht nur die Verwendung des Geräts an sich ermöglicht, sondern auch viele nützliche Alltagshilfen erschließt. Blinde und sehbehinderte Menschen nutzen eine spezielle Software zur Spracheingabe und -ausgabe über Kopfhörer und eine vereinfachte Touch-Bedienung. So können sie ihr Smartphone ganz diskret steuern, Persönliches erledigen oder eine Geheimzahl eingeben, ohne dass (wie bei der herkömmlichen Sprachsteuerung) andere mithören.

7.05 Uhr: Jetzt bitte Wärme, Licht – und Kaffee!

Illustration: Einfamilienhaus mit Symbolen für digitale Haussteuerung.

Ist Ihr Zuhause auch schon „smart“ – steuern Sie also Anlagen und Geräte über Ihr Handy, eine Fernbedienung oder per Sprachbefehl?

Peter:

Smart Home? Muss ich da wieder seitenlange Anleitungen lesen – mit dem Englisch-Wörterbuch in der Hand?

Carina:

Die Entwicklung der Sprachsteuerung ist für sehbehinderte und blinde Menschen ein unermesslicher Gewinn. Dank Sprachassistenz kann ich z. B. viele Handy-Apps nutzen; sie helfen mir bei der Orientierung an fremden Orten oder beim Einkauf. Ich nutze sie z. B. beim Shopping, um Kleiderfarben zu erkennen. Eine Lupen-App hilft mir, wenn ich im Drogeriemarkt Etiketten entziffern muss. Wenn das nicht klappt, liest mir eine andere App gedruckte Texte vor! Zu Hause komme ich allerdings so gut zurecht, dass ich darauf verzichte.

Benjamin:

Früher konnten mich die Sprachassistenten noch nicht so gut verstehen – aber inzwischen hat sich technisch viel getan. Wenn ich mein morgendliches Nuscheln überwunden habe (siehe „7 Uhr“), komme ich ganz gut klar. Für mich ist das digitale Zuhause eine echte Erleichterung. Ich muss nicht auf meine Assistenzkraft warten, sondern kann z. B. selbstständig über Sprachsteuerung die Heizung einschalten, das Licht steuern und sogar die Kaffeemaschine starten. Auch eine Fernbedienung kann ich nutzen, wenn sie kein Touch-Display hat, sondern (halbwegs große) Tasten.

8.30 Uhr: Jetzt aber los, zur Arbeit

Illustration: Menschen halten Smartphone bzw. Karte an ein digitales Bezahl-Terminal.

Wie kommen Sie zur Arbeit? Je nach Wetter zu Fuß/mit dem Rollstuhl oder mit den Öffentlichen? Dann haben Sie vermutlich keine Zeitkarte, sondern müssen an Regentagen ein Ticket kaufen.

Peter:

Ich mag keine digitalen Fahrkartenautomaten – bis ich die Befehle entziffert habe, ist meine Bahn schon abgefahren. Macht aber nichts, meinen Fahrschein kaufe ich am Kiosk – und meine Butterbreze gleich dazu.

Carina:

Weil ich einen Schwerbehindertenausweis mit Wertmarke habe, kann ich deutschlandweit den öffentlichen Nahverkehr kostenlos oder gegen eine vergleichsweise geringe Jahresgebühr nutzen. Im Fernverkehr müssen Fahrgäste mit und ohne Behinderung den gleichen Preis bezahlen. Wenn ich mit der Bahn fahre, kaufe ich ein Handyticket, das geht schnell und klappt jetzt auch mit Sprachsteuerung.

Benjamin:

Im Nahverkehr geht’s mir wie Carina, ich fahre mit Wertmarke. An einem Fernbahnhof habe ich kürzlich einen ziemlich cleveren Fahrscheinautomaten gesehen. Das Display hatte große Bedienfelder. Das ist wichtig, wenn man wie ich die Bewegung der Arme und Hände nicht so fein steuern kann. Beim Antippen gab es immer eine Rückmeldung – man kann also sehen, ob man das Feld richtig angetippt oder danebengetippt hat. Und man kam mit wenigen Klicks zum Ziel, der Fahrscheinkauf war total schnell erledigt.

9.05 Uhr: Guten Morgen! Guten Morgen!

Illustration: Frau mit dunkler Brille und Kopfhörern sitzt hinter einem Notebook.

Die Kolleginnen und Kollegen begrüßen (oh, jemand war nett und hat einen Becher Kaffee auf den Schreibtisch gestellt), die Jacke ausziehen, den Rechner hochfahren. Apropos: Wie läuft’s eigentlich mit dem Computer?

Peter:

Im Büro arbeite ich viel am Computer. Früher kam ich ganz gut klar, aber inzwischen sehe ich nicht mehr sooo gut ... Websites und PDFs mit schlechten Kontrasten machen mir in letzter Zeit immer mehr zu schaffen. Ich bin wirklich dankbar, wenn auf einer Website eine gut lesbare Schrift verwendet wird – und wenn sich die Schrift deutlich vom Hintergrund abhebt.

Carina:

Ich arbeite am Notebook meist mit dem Screen-Reader. Wenn eine Website oder ein Dokument barrierefrei gestaltet ist, kann ich sie mir vorlesen lassen. Meine Kolleginnen staunen oft, weil ich eine so hohe Lesegeschwindigkeit einstelle. Damit hänge ich jede Leserin und jeden Leser locker ab. Ans Vorlesen-Lassen gewöhnt man sich schnell – das ist reine Übungssache.

Benjamin:

Am Computer navigiere ich mit den Tabulatortasten. Funktioniert gut – wenn z. B. Websites barrierefrei gestaltet sind. Oder sollte ich sagen: wären? Denn viele sind es leider nicht! Das bedeutet für mich: Ich kann z. B. viele Fach-Foren und Info-Websites nicht benutzen. Übrigens, kleiner Tipp für Shop-Betreiber: Wenn ich privat online einkaufe, ärgere ich mich nicht lange über Shops mit Barrieren, sondern probiere es bei der Konkurrenz.

13 Uhr: Mittagspause. Hunger!

Illustration: Kassiererin an einer Supermarktkasse.

Was essen Sie mittags? Das Menü in der Kantine? Das mitgebrachte Butterbrot? Oder kaufen Sie sich etwas im Laden um die Ecke?

Peter:

Ich gehe mittags schnell in den Supermarkt. Ich zahle mit der EC-Karte, weil ich heute Abend noch Bargeld brauche – ich gehe mit Freunden ins Kino.

Carina:

Mit der EC-Karte kann ich zahlen, wenn der Kartenleser Tasten hat. Mit Touch-Displays habe ich Schwierigkeiten, denn ich kann weder sehen noch spüren, ob ich die richtige PIN eingebe. Auch hier gibt es schon Bezahlsysteme, die blinde und sehbehinderte Menschen unterstützen, aber sie sind bei uns noch nicht verbreitet.

Benjamin:

Im Geldbeutel nach Bargeld zu fummeln: Das würde ewig dauern – wie gesagt: Meine Feinmotorik ist nicht gerade top. Den Kartenleser kann ich nicht alleine bedienen. Er ist viel zu hoch angebracht und ich treffe die Tasten oft nicht richtig. Es nervt, schon wieder einen Fremden um Hilfe zu bitten, ihm meine EC-Karte und die PIN zu geben! Aber es gibt eine Lösung: In immer mehr Läden kann man jetzt Einkäufe bis 25 Euro „kontaktlos“ bezahlen; man muss nur die EC-Karte vor ein Terminal halten. Ich bin jetzt schon ein Fan.

13.50 Uhr: wieder am Schreibtisch

Illustration: Publikum in einem Kinosaal.

Der halbe Arbeitstag ist geschafft, jetzt kann man schon mal einen Blick Richtung Feierabend wagen. Ach, fast vergessen: Kinokarten für heute Abend bestellen!

Peter:

Ich rufe schnell beim Kino an. Da ist so ein Computer dran – was will der? Was soll ich jetzt sagen? Hallo: Kann ich bitte mit einem M-e-n-s-c-h-e-n sprechen! Nein?

Carina:

Ich bin dran damit, Kinokarten für heute Abend zu bestellen. Funktioniert mit Screen-Reader: top!

Benjamin:

Als ich beim Kino anrufe, erwartet mich eine Sprach-Software. Oh nein, die versteht mich mal wieder nicht. Online zu bestellen geht auch nicht, die Kino-Website ist nicht barrierefrei. Hoffentlich bekomme ich noch Karten an der Abendkasse ...

19.50 Uhr: Pssst, kann ich das Popcorn haben?

Illustration: Symbole für einen Kinobesuch – Filmklappe, Filmrolle und Popcorn-Becher.

Kino ist toll. Man trifft sich mit Freunden, verbringt zwei spannende Stunden – und hat danach noch reichlich Redestoff. Aber: Können auch wirklich alle mitfiebern?

Peter:

Der Film ist großartig: toller Sound, sehr gute Bildqualität! Zum Glück ist er synchronisiert; bei Filmen in Originalsprache kann ich oft die eingeblendeten Untertitel nicht gut lesen.

Carina:

Von Audiodeskription bis Untertitel: Es gibt tolle Kino-Apps für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung. Ich habe die Audio-Beschreibung für „meinen“ Film schon gestern zu Hause auf mein Handy geladen, so bin ich nicht auf WLAN im Kino angewiesen. Kopfhörer ins Smartphone stöpseln, aufsetzen: Los geht’s! Immer mehr Kinos haben auch eigene Angebote für sehbehinderte Menschen. Sie geben Transponder mit Kopfhörer aus, über die dann die Audiodeskription übertragen wird. Das erspart mir den Vorbereitungsaufwand.

Benjamin:

Der Film ist richtig gut. Und zum Glück ist das Kino auch „analog“ (in diesem Fall: baulich) barrierefrei, schließlich bin ich im Rollstuhl unterwegs.

23 Uhr: Schön war's ...

Illustration: Ein Mensch hält ein Smartphone mit einer geöffneten Taxi-App.

Super Film, netter Ausklang im Lokal an der Ecke. Allmählich macht sich Aufbruchsstimmung breit, morgen ist schließlich auch ein Arbeitstag.

Peter:

Müüüde ... Ich rufe die Taxizentrale an. Da schau her, die Bestätigung kommt per SMS aufs Smartphone: Taxi 123 holt mich in sieben Minuten ab.

Carina:

Ich bestelle mein Taxi mit dem Handy. Die Nummer der Taxizentrale habe ich gespeichert und rufe sie per Sprachsteuerung auf. Perfekt, die Bestätigung kommt aufs Smartphone und wird mir vorgelesen.

Benjamin:

Mit meinem E-Rolli kann ich nicht mit ins Taxi, logisch. Aber ich habe ein Rollstuhltaxi vorbestellt.